Grünig Wundmanagement
Mehr als Wundversorgung

Wundgeruch


Wundgeruch ist ein häufiges und belastendes Symptom bei Patienten mit chronischen oder infizierten Wunden. Er entsteht durch verschiedene biochemische Prozesse, die bei Infektionen oder bestehenden Nekrosen ablaufen. 

Betroffene Patienten haben einen sehr hohen Leidensdruck und auch Pflegekräfte können bei der Versorgung von stark riechenden Wunden an ihre Grenzen kommen. 


Ursachen des Wundgeruchs


Wundgeruch entsteht durch die Freisetzung flüchtiger organischer Verbindungen (VOCs) und Schwefelverbindungen, die durch Mikroorganismen und das Gewebe selbst produziert werden. Die Hauptursachen sind:


Bakterielle Infektionen

Eine der häufigsten Ursachen für Wundgeruch sind bakterielle Infektionen. Besonders gramnegative Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa und anaerobe Bakterien wie Bacteroides spp. sind für die Produktion von faulig riechenden Verbindungen verantwortlich.


Nekrotisches Gewebe

Abgestorbenes oder nekrotisches Gewebe kann ebenfalls unangenehme Gerüche verursachen. Dieser Prozess wird durch die Autolyse, bei der Zellen durch ihre eigenen Enzyme abgebaut werden, verstärkt.


Exsudat

Wunden, die viel Exsudat produzieren, haben ein höheres Risiko, unangenehm zu riechen. Exsudat bietet einen idealen Nährboden für Bakterien, die dann geruchsverursachende Verbindungen freisetzen können.


Blutungen

Auch Wunden, die zu Blutungen neigen, haben einen unangenehmen Wundgeruch. Blut hat einen sehr charakteristischen Eigengeruch, der meist als metallisch oder süßlich bezeichnet wird. Zudem enthält Blut ein bestimmtes Aldehyd mit dem Namen  "Trans-4,5-Epoxy- (E) -2-Decenal". Dies löst beim Menschen einen Fluchtreflex aus und wird als unangenehm empfunden.

Beginnt das Blut zu gerinnen und sich zu zersetzen, wird der Geruch stärker und unangenehmer. 



Auswirkungen für die Betroffenen


Wundgeruch hat erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen.
Der Geruch kann zu Scham und sozialer Isolation führen. Viele Patienten vermeiden den Kontakt zu anderen Menschen, was zu Einsamkeit und Depression führen kann. Die Patienten haben Angst, die nötige Hilfe anzufordern und sich anderen Menschen anzuvertrauen. Die Wunden werden oft von den betroffenen Patienten eigenständig versorgt, was zumeist zu einer weiteren Verschlimmerung führt. Als Versorgende ist es unglaublich wichtig, sensibel mit dieser Situation umzugehen. Ich spreche offen und ehrlich mit den Patienten über die bestehenden Probleme. Die Patienten wissen, dass ihre Wunde unangenehm riecht. Wenn ich dem Patienten sage, dass dies nicht so sei oder ich dies nicht so empfinde, verliere ich meine Authentizität. Es geht darum, die Problematik zu besprechen, realistische Ziele zu setzen und die Situation zu verbessern. Offenheit und Ehrlichkeit sind hierfür besonders wichtig, ebenso wie besonderes Feingefühl, um Gefühle nicht unnötig zu verletzten. 



Behandlungsmöglichkeiten bei Wundgeruch


Die Behandlung von Wundgeruch erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, die sowohl die Ursachen als auch die Symptome adressiert.


Wundreinigung und Débridement

Regelmäßige Wundreinigung und das Entfernen von nekrotischem Gewebe und Fibrinbelägen (Débridement) sind essenziell, um die Bakterienlast zu reduzieren und nekrotische Bestandteile aus der Wunde zu entfernen.


Antimikrobielle Therapie

Antimikrobielle Wundauflagen, die Silber, PHMB oder Honig enthalten, können effektiv eingesetzt werden, um die Keimlast der Wunde und somit auch den Wundgeruch zu reduzieren. Dies gilt auch für Wundauflagen mit einem mechanischen Wirkprinzip.

Auch die Verwendung von Wundantiseptika kann dazu beitragen, die Bakterien in der Wunde zu reduzieren und somit den Geruch zu mindern. In besonders schlimmen Fällen kann auch die systemische Gabe von Antibiotika erforderlich sein.


Exsudatmanagement

Die Verwendung von absorbierenden Wundauflagen kann helfen, überschüssiges Exsudat zu kontrollieren und die Bakterienlast zu reduzieren. Vor allem hochwertige Superabsorber sind hier hervorzuheben, da diese das Exsudat und somit die Bakterien zuverlässig in der Wundauflage binden.


Geruchsneutralisierende Maßnahmen (Wundnahe)

Spezielle Wundauflagen, die Aktivkohle enthalten, können geruchsverursachende Verbindungen absorbieren und neutralisieren. Auch Wundspüllösungen auf der Basis von hypochlorgier Säure (HOCl) wirken gut gegen Wundgeruch.


Geruchsneutralisierende Maßnahmen (Wundfern)

Anwendung von chemischen Geruchsbindern (Nilodor®)

Geruchsbinde Materialen wie Katzenstreu, Rasierschaum oder Kaffeepulver

Tägliches Wechsel von Bekleidung und Bettwäsche

Abbrennen von Streichhölzern


Off-Label Bereich 

Besonders häufig leiden Patienten in palliativen Situationen unter stark riechenden Wunden. 

Im palliativen Kontakt können weitere Maßnahmen ergriffen werden, um den Wundgeruch zu reduzieren. Diese Maßnahmen beinhalten jedoch oftmals die Zweckentfremdung andere Arzneimittel oder Medizinprodukte oder widersprechen gängigen Leitlinien. Der Einsatz solcher Maßnahmen ist daher immer besonders zu prüfen!

Spülung der Wunden mit Metronidazol                                                                                Injektionslösung. Metronidazol ist ein Antibiotikum, welches speziell gegen anaerobe Keime wirkt.


Abdecken der Wunde mit okklusiven Folienverbänden oder Frischhaltefolie 

Durch die Abdichtung mit dem Folienverband können die Geruchsmoleküle nicht mehr nach außen dringen. Der Nachteil ist jedoch, dass die Keimvermehrung in der Wunde deutlich zunimmt. Dennoch ist dies eine Maßnahme, die für die Zeit der Anwendung den Wundgeruch vollständig unterdrückt. Und kann daher für begrenzte Zeiträume gut verwendet werden. 


Hierzu möchte ich ein kleines Beispiel aus meiner Berufspraxis einfügen, bei der diese Maßnahme zum Einsatz gekommen ist. Die Patientin litt an einem Mamma-Ca. Dieses hatte exulzeriert. Es haben sich fortlaufend Nekrosen gebildet. Aus diesem Grund hat ein schwer zu kontrollierender Wundgeruch bestanden. Die Patientin hatte sich vollständig isoliert und nicht mehr das Haus verlassen. Nach einer Einweisung ins Krankenhaus wurde die Patientin an uns übergeben. Zunächst haben wir damit begonnen, das Exsudatmanagement zu optimieren. Durch einen aktivkohlehaltigen Superabsorber konnte bereits einigen an der Situation verbessert werden. Nun haben wir begonnen, die Patientin in Frischhaltefolie einzuwickeln. Dies erfolgte jedes Mal, wenn sie das Haus verlassen musste. Wenn die Patientin wieder zu Hause war, wurde die Folie entfernt und ein Verbandwechsel wurde durchgeführt. Zunächst war sie noch sehr skeptisch und die Angst war sehr groß. Jedoch wurde sie zunehmend selbstsicherer und baute über die Zeit viel von ihrem alten Selbstbewusstsein wieder auf. Sie war sogar so mutig, dass sie sich einen ihrer letzten Wünsche erfüllen konnte. Noch einmal ein Konzert in der Elbphilharmonie in Hamburg zu besuchen.